Marketing in Zeiten von New Work

Zwischen Homeoffice und Präsenzkultur

Einerseits Home-Office-Helden mit Laptop und Latte Macchiato, andererseits Bürofrust mit starren Hierarchien – Willkommen in der verrückten Arbeitswelt 2023! Ein Viertel der von der IHK befragten Unternehmen plant mit mehr Home Office als früher. Bei der Hälfte wird es einen Hybridmix aus Präsenz und Home Office geben. Währenddessen will ein weiteres Viertel, trotz Fachkräftemangel, zurück zum Büroalltag. Ein Viertel aller Unternehmen will also schon das Ende von „New Work“ ausrufen, bevor es überhaupt richtig angefangen hat? Wenn das so ist, möchte ich doch meinen heutigen Artikel mit einem Plädoyer beginnen! Denn die Rückkehr zur alten Präsenzkultur wird nicht nur von jungen Arbeitskräften abgelehnt, sie erscheint mir auch aus vielen anderen Gründen wie ein Rückschritt:

  1. Technologie
    Die Technologie hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht, die ein produktives und sicheres Arbeiten von zu Hause aus ermöglichen. Die Verfügbarkeit von Breitband-Internet inzwischen selbst in abgelegenen Gebieten stellt eine konstante und zuverlässige Verbindung sicher. Moderne Headsets mit Noise-Cancelling-Technologie und hochwertige Videokonferenz-Tools wie Microsoft Teams, Zoom, Skype oder Webex bieten eine Kommunikationsqualität, die Präsenzmeetings fast ganz ersetzen kann. Cloudbasierte Softwarelösungen ermöglichen zudem einen nahtlosen und sicheren Zugriff auf Arbeitsmaterialien und machen die kollaborative Arbeit in Echtzeit möglich. Der sichere Zugriff auf Unternehmensnetzwerke von überall ist über VPN möglich. Insgesamt sind die technologischen Barrieren für das Arbeiten im Home Office weitgehend eliminiert worden, sodass die Effizienz und Produktivität nicht mehr zwangsläufig ortsgebunden sind.
  2. Remote ist produktiv
    Die Pandemie hat nicht nur bewiesen, dass zahlreiche Jobs problemlos aus dem Home Office erledigt werden können, sondern auch, dass in vielen Fällen die Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit sogar steigen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von individuellen Arbeitsgewohnheiten bis hin zu organisatorischen Vorteilen. Erstens ermöglicht die Flexibilität des Home Office den Mitarbeitern, ihre Arbeit an ihre persönlichen produktivsten Stunden anzupassen, was die Effizienz steigert. Zweitens entfallen zeitraubende und stressige Pendelwege, was nicht nur Zeit, sondern auch Nerven spart. Drittens bietet das Arbeiten von zu Hause eine reduzierte Ablenkung durch Kollegen oder ein hektisches Büroumfeld, was die Konzentration fördert. Es ist ein Stückweit eine Typfrage aber es gibt Studien, die zeigen dass viele Leistungsmetriken im Home Office sogar besser sind als im traditionellen Büroumfeld. Kurz gesagt: sie erhalten mehr Output pro Arbeitsstude von Ihren Angestellten.
  3. Vertrauen statt Kontrollwunsch
    Die Forderung nach einer Rückkehr zur Präsenzkultur scheint mir oft weniger von einer sachlichen Notwendigkeit getrieben zu sein, als vielmehr von einem Kontrollwunsch seitens der Führungskräfte. Dieses Bedürfnis nach „Sichtbarkeit“ der Mitarbeiter ist aber ein veraltetes Konzept, das wenig Vertrauen in die Eigenverantwortung und Selbstorganisation der Belegschaft zeigt. Lassen Sie die Leute machen! Sie werden überrascht sein, wieviel ein motivierter, von zuhause aus arbeitender Mitarbeiter Ihnen nützt – sofern Sie es richtig angehen und einige Regeln dabei beachten.

Natürlich gibt es Berufe und Situationen, in denen Home Office nicht ideal ist, oder sogar unmöglich. Laborarbeit, Produktion oder der Kundenservice am Empfang sind nur ein paar Beispiele.

Dennoch sollten skeptische Unternehmer ihre Ängste überdenken. Chaos entsteht nämlich nicht durch Ortsunabhängigkeit, sondern durch mangelnde Prozesse und Verantwortungsbewusstsein. Wenn Mitarbeiter die Freiheit haben, so zu arbeiten, wie sie es wollen, leisten sie meistens auch bessere Arbeit.

Dies sei als Präambel vorangeschickt von jemandem, der ein großer Verfechter von Homeoffice-Regelungen ist. Ich bin übrigens glücklich, für ein Unternehmen tätig sein zu dürfen, das seinen Mitarbeitern große Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit zuspricht und spreche hier aus eigener Erfahrung. Ich arbeite jeden Tag daran, Prozesse klug zu digitalisieren, so dass die Effizienz maximiert wird während alle beteiligten Mitarbeiter wahlweise in Präsenz oder von Zuhause aus tätig sein können.

Aber in diesem Artikel soll es nicht um die Glorifizierung hybrider Arbeitsmodelle gehen und ich glaube, dass diese sich langfristig ohnehin durchsetzen werden. Sprechen wir also stattdessen über Marketing:

Warum das Marketing umdenken muss

Vielleicht nicht ganz naheliegend, aber bei näherer Betrachtung ganz klar: Der Wechsel zu mehr Home-Office-Arbeit hat weitreichende Folgen, die über die unmittelbare Arbeitsumgebung hinausgehen. Auch das Marketing muss sich darauf einstellen – und ich meine jetzt nicht Marketing-Angestellte, die von zuhause aus arbeiten, sondern die Marketing-Strategie Ihres Unternehmens. Wie erreichen wir unsere Zielgruppen, wenn diese plötzlich von Zuhause aus arbeiten?

Menschen im Home-Office nutzen Medien anders. Traditionelle Werbekanäle wie Außenwerbung verlieren an Bedeutung, während digitale Plattformen an Relevanz gewinnen. Da mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten, werden lokale Angebote weniger relevant. Marketer müssen also überlegen, wie sie ihre Zielgruppen unabhängig vom Standort erreichen können.

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die Qualität der Daten zu gewährleisten, auf denen Ihr Marketing basiert. Denn der passende Ort und der passende Zeitpunkt für Ihre Kampagnen sind immer nur so gut wie die Daten, die Sie darüber informieren. Wenn Ihre Datenbanken nicht für diese neuen Bedingungen optimiert sind, schwimmen Sie praktisch im Trüben. Home-Office generiert auch zwangsläufig mehr digitale Daten, die für das Marketing genutzt werden könnten. Allerdings steigt auch das „Rauschen“, was eine präzisere Datenanalyse erforderlich macht.

Und schließlich sollte sich die durch Home Office veränderte Kultur auch inhaltlich im Marketing widerspiegeln, um authentisch zu bleiben. Es ist eben nicht nur eine logistische, sondern auch eine strategische Herausforderung. Lassen Sie mich meinen Punkt erläutern:

Anderer Kontext – andere Botschaften?

Die Tastatur und der Bildschirm sind gleich geblieben, aber der Kontext hat sich verschoben: Wo früher der graue Teppich eines Büros unter dem Schreibtisch lag, hat sich jetzt vielleicht die gemütliche Atmosphäre des Home Office mit Gartenausblick breitgemacht. Die emotionale Verschiebung, die das mit sich bringt, kann nicht ignoriert werden – besonders wenn es um Marketing im B2B-Bereich geht. Da ist nicht nur die Frage relevant, ob Ihre bisherige Botschaft jetzt noch zieht, sondern auch, wie Sie die Menschen erreichen, die jetzt im zuhause sitzen und von dort geschäftliche Entscheidungen treffen.

Dies führt uns zum Punkt der Personalisierung. In einer Welt, in der jeder seine Arbeitsumgebung und -zeit flexibilisiert, verliert eine generische Marketingansprache an Boden. Menschen, auch im B2B-Bereich, müssen individuell angesprochen werden. Der Schlüssel hierbei ist, die Balance zwischen Personalisierung und Skalierung zu finden, damit die Effektivität Ihrer Kampagnen nicht verloren geht. Microtargeting bringt Ihnen hier ebensowenig wie das Gießkannenprinzip.

Und während wir alle auf den neuesten Algorithmen und Analysetools herumreiten, dürfen wir halt auch den menschlichen Faktor nicht aus den Augen verlieren: Selbst in unserer hypervernetzten Welt bleibt der persönliche (wenn auch virtuelle) Kontakt ein unersetzlicher Bestandteil jeder erfolgreichen B2B-Strategie. Die Kunst besteht darin, diese Beziehungen authentisch und sinnvoll zu gestalten, ohne in platte Verkaufsgespräche abzudriften. Gemeint sind Webinare, Produkt-Schulungen, virtuelle Hausmessen.

Letztendlich sollte Ihr Marketing-Ökosystem dynamisch und anpassungsfähig sein. Die Landschaft ändert sich ständig, sei es durch neue Technologien, veränderte Kundenbedürfnisse oder durch globale Ereignisse. Ein starres Konzept hat hier keinen Bestand und muss biegsam genug sein, um sich an die Fluktuationen des Marktes anzupassen. Planen finde ich immer gut – aber lassen Sie ausreichend Luft für Unvorhergesehenes.

Aber verlassen wir nun die Meta-Ebene und werden wir mal konkret:

Der 10-Punkte-Fahrplan für zukunftssicheres Marketing

Gut, wir haben die Probleme beleuchtet und ich habe Ihnen aus der Vogelperspektive meinen Standpunkt erläutert. Nun wollen wir uns auf die Lösungen konzentrieren. Hier kommt ein 10-Punkte-Fahrplan, um Ihr Marketing fit für die „New Work“-Welt zu machen:

  1. Segmentierte Kommunikation: Entscheider im Home Office lassen sich gezielt durch differenzierte Inhalte ansprechen. Überlegen Sie, welche Kanäle hier effektiv sind. LinkedIn? Branchenspezifische Foren? Verstehen Sie, wo Ihre Zielgruppe sich wirklich aufhält, und werden Sie dort aktiv. Lassen Sie bleiben, was keinen Nutzen hat.
  2. Datenhygiene pflegen: In einer Welt, die sich zwischen Büro und Wohnzimmer bewegt, ist es essentiell, stets aktuelle Daten zu haben. Manuelle Pflege und Datenaktualisierungen sollten als laufender Prozess implementiert werden.
  3. Personalisierung hochfahren: Eine automatisierte E-Mail, die tatsächlich persönlich wirkt, kann Wunder wirken. Nutzen Sie CRM-Systeme, um den Kontext des letzten Gesprächs, etwaige Probleme oder Anforderungen in die Kommunikation einfließen zu lassen. Übertreiben Sie es nicht, aber werden Sie auf geschickte Weise persönlich – am besten mit einem echten Nutzwert.
  4. Digitaler Handshake: Die Zeiten, in denen Geschäfte per Handschlag besiegelt wurden, sind weitestgehend vorbei. Der digitale Handshake, beispielsweise über Video-Calls, wird immer relevanter. Schulen Sie Ihr Vertriebsteam in den Feinheiten der virtuellen Kommunikation und fahren Sie die Features Ihrer Konferenzsoftware voll aus. Schaffen Sie niederschwellige Gesprächsangebote.
  5. Adaptives Marketing: Wer starre Pläne verfolgt, wird von der Realität überholt. Ihr Marketing muss so flexibel sein wie ein Yoga-Meister. Reagieren Sie auf Veränderungen im Markt und in den Bedürfnissen Ihrer Zielgruppe, und zwar zügig. Dafür sollten Sie nicht vergessen, dass Sie auch Feedback aus dem Sales Team brauchen und zusätzlich Ihre Marketing-Analytics überwachen müssen.
  6. Content-Strategie überdenken: ‚Mobile First‘ ist nicht mehr nur ein Schlagwort. Die Leute konsumieren Inhalte auf unterschiedlichen Geräten, an unterschiedlichen Orten. Wo früher 80% der Website Besucher an einem PC oder Laptop saßen, kommen heute vielleicht schon 60% via Smartphone oder Tablet. Ihre Designs und ihr Content müssen dem standhalten.
  7. Einsatz von KI: Künstliche Intelligenz ersetzt noch lange nicht den persönlichen Kontakt zum Vertriebsmitarbeiter – aber sie kann in der Kundensegmentierung oder in der Vorhersage von Verbraucherverhalten unglaublich hilfreich sein. Falls Sie noch nicht auf den Zug aufgesprungen sind, wird es höchste Zeit.
  8. Interne Kommunikation stärken: Ihr Team muss stets auf dem gleichen Stand sein, egal ob es im Büro oder zu Hause arbeitet. Tools für Projektmanagement und Kommunikation sind hier unverzichtbar – und auch hier gilt: der Zugang sollte niederschwellig sein. Niemand im Marketing oder im Sales Team hat viel Zeit, sich mit den Widrigkeiten von Software zu beschäftigen.
  9. Work-Life-Balance berücksichtigen: Ihr Marketing sollte nicht stören, sondern Mehrwert bieten. Beachten Sie die Tageszeiten und Wochentage, zu denen Sie Ihre Zielgruppe ansprechen und achten Sie peinlich genau darauf, niemanden zu nerven. Das Zuhause ist heiliger als das Büro.
  10. KPIs neu definieren: Machen Ihre Key Performance Indicators noch Sinn? In einer hybriden Arbeitswelt könnten ganz andere Metriken wichtig werden. Der Customer Lifetime Value (CLV) könnte an Bedeutung gewinnen oder vielleicht wird auch die Lead-Qualität wichtiger als die Lead-Quantität. Es geht vielleicht insgesamt weniger um Masse und mehr um Qualität und Langfristigkeit.

Flexibel bleiben in einer unbeständigen Welt

Wir leben in einer Welt, die sich schneller dreht als ein Formel-1-Reifen auf der Zielgeraden. Das ist keine Zeit für Marketer, sich im Bürostuhl zurückzulehnen und darauf zu warten, dass die Kunden an die Tür klopfen. Sie müssen raus da – also, zumindest metaphorisch. Denn dank des Internets können Sie ja auch vom heimischen Sofa aus Ihre Zielgruppe erreichen.

Denken Sie daran: Eine Marketing-Strategie ist kein Drehbuch für einen Film, bei dem alles nach Plan läuft (nicht mal mit den besten Regisseuren). Es ist eher wie Impro-Theater: Sie haben eine Grundidee, aber wie es wirklich läuft, sehen Sie erst, wenn Sie auf der Bühne stehen. Und je besser Sie auf spontane Wendungen reagieren können, desto mehr Applaus gibt es am Ende.

Also, bevor Sie sich in den nächsten Hype stürzen, den dann alle ‚Game-Changer‘ nennen, oder Ihren Sales-Kollegen für das nächste Quartal die doppelte Anzahl an aufgewärmten Leads aufbrummen: Stoppen Sie kurz. Atmen Sie durch. Überlegen Sie, ob Sie nicht nur die Bäume, sondern auch den Wald sehen.

Denn selbst in einer Welt, die von einer Minute zur nächsten von „New Work“ in „Remote Forever“ oder zurück in „Präsenz is King“ oder was auch immer kippt, bleibt eine Konstante: Wir wollen alle nur unser Stück vom Kuchen. Und mit der richtigen Strategie können Sie dafür sorgen, dass Ihr Stück nicht nur größer, sondern auch lecker wird.

Bitte nie vergessen: es geht am Ende immer um Menschen. Ein CFO in Jogginghosen trifft genauso wichtige Entscheidungen wie einer im Anzug. Fokussieren Sie sich deshalb auf die menschlichen Bedürfnisse, die unverändert bleiben, egal ob man gerade auf der Couch sitzt oder im Meetingraum.

Und damit, liebe Leserinnen und Leser, verneige ich mich digital und wünsche Ihnen viel Erfolg in einer Welt, die sich zwar ständig wandelt, aber immer spannend bleibt.

Ihr
Michael Knoedgen

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